Nachlese 21.06.2018, 13:42 Uhr

Das sagen die Aussteller zur neuen Cebit

Deutlich weniger Besucher, dennoch zufrieden: Das ist die Bilanz der Messeleitung zur runderneuerten Cebit. Manche Aussteller sind jedoch skeptisch.
(Quelle: Cebit)
Sie sollte ein Festival für alle sein – die runderneuerte Cebit, die erstmals im Juni statt wie sonst üblich im März stattfand. Jung sollte sie sein, frisch und trotzdem der Ort, an dem die ITK-Branche ihr Business macht. Am letzten Messetag zog Oliver Frese, Vorstand der Deutschen Messe AG, eine rundum positive Bilanz: „Wir wurden für unseren Mut und für unsere Entschlossenheit belohnt“, sagte er. Alle gesteckten Ziele seien erreicht worden, betonte er weiter. Heiko Meyer, Vorsitzender des Cebit-Messeausschusses und Geschäftsführer von Hewlett Packard Enterprise, ergänzte: „Die neue Messe war ein voller Erfolg. Wir beglückwünschen das Cebit-Team zur Premiere, das mit dem Mut zur radikalen Transformation die Basis für die Zukunft gelegt hat.“
Die Kennzahlen der diesjährigen Cebit sprechen aber eine andere Sprache: Mehr als 2.800 Unternehmen beteiligten sich an der Messe, im Vorjahr waren es noch über 3.000 Aussteller. Und auch die Zahl der Besucher ging drastisch zurück: Sie sank von 200.000 im Vorjahr auf 120.000 in diesem Jahr. Ein Erfolg war das Konferenzprogramm, bei dem 600 Sprecher auf zehn Bühnen auftraten. Mehr als 30.000 Zuschauer verfolgten die Keynotes.
Messe-Vorstand Oliver Frese ist mit dem Ergebnis der neuen Cebit zufrieden
Quelle: Cebit
Frese betonte allerdings einmal mehr, dass die alte und die neue Cebit nicht miteinander zu vergleichen seien. Das neue Format schaffe mit frischem Wind eine neue Aufbruchstimmung: „Wir stellen fest, dass Geschäftskontakte in lockerer Atmosphäre besser entstehen können. Das wichtigste Ziel ist erreicht: Unsere Kunden sind sehr zufrieden“, sagte er.
Zeit also, bei den Ausstellern aus dem TK- und Netzwerkbereich nachzufragen, die in diesem Jahr in Hannover vertreten waren. Heraus kam ein durchaus gemischtes Bild – Lob, aber auch Kritik.

Lust, aber auch Frust bei den Ausstellern

Lancom-Geschäftsführer Stefan Herrlich berichtet beispielsweise, dass die Cebit insgesamt etwas hinter den Erwartungen des Netzwerkspezialisten zurückgeblieben sei. „Aber wir schätzen den Mut zur Veränderung, den die Messegesellschaft mit der Neuausrichtung bewiesen hat – auch wenn es hier und da sicher noch Optimierungspotenzial gibt“, sagt er. Auch brauche ein derart radikaler Umbau einfach etwas Zeit, um sich zu etablieren. Trotz seiner verhaltenen Kritik kündigt Herrlich an, Lancom werde auch im kommenden Jahr wieder als Aussteller auf der Cebit vertreten sein. „Wir blicken mit gespannter Erwartung auf die Cebit 2019, wenn auch wir wieder unsere traditionelle Reise nach Hannover antreten werden.“
Richtiggehend euphorisch äußert sich das Team von Innovaphone. Statt wie sonst in der Netzwerk- und TK-Halle 13 hatten sich die Sindelfinger auf dem d!campus eingemietet – und damit direkt vor der großen Bühne, auf der auch tagsüber immer wieder Konzerte stattfanden. Die Stimmung sei angenehm unkompliziert gewesen, offen und gut dazu geeignet, mit Besuchern ins Gespräch zu kommen, so der Tenor. Und obwohl der Stand wesentlich kleiner war als in den Vorjahren, habe dies gut funktioniert. Allerdings gibt es von Seiten Innovaphones auch Anregungen an die Messe. Die Zielgruppe müsse wesentlich klarer definiert werden, auch haben die Sindelfinger ein Schlecht­wetterkonzept für den Außenbereich vermisst. Innovaphone kündigt schon jetzt an, im kommenden Jahr wieder in Hannover vertreten zu sein. „Letzten­ Endes gibt es keine Alternative zur ­Cebit als dem Treffpunkt der Branche“, so der Hersteller.
Seine Ziele erreicht hat auch Ferrari Electronic, die Berliner hatten sich wie üblich in der Netzwerk- und TK-Halle eingemietet. „Die Qualität der Gespräche am Messestand war gut“, versichert Vorstandsvorsitzender Stephan Leschke. Und er ergänzt: „Der Mut der Veranstalter, mit einem überarbeiteten Konzept neue Wege zu gehen, hat sich gelohnt.“ Dass die Besucherzahl in diesem Jahr noch einmal zurückgegangen ist, stört Leschke nicht: „Nicht die Masse der Besucher ist entscheidend, sondern deren Qualität“, sagt er. Man dürfe einfach nicht den Fehler machen, diese Cebit mit den Rekordmessen der 90er-Jahre zu vergleichen. Ob die Berliner im nächsten Jahr noch einmal ausstellen werden, ist noch nicht final entschieden – aber ziemlich wahrscheinlich.
Ebenfalls angetan von dem neuen Messekonzept zeigt sich Hans Szymanski, CEO von Nfon: Der Messestand des Cloud-PBX-Anbieters mit seinem neuen Konzept sei gut besucht gewesen, insgesamt war er also zufrieden und geht davon aus, dass Nfon auch im kommenden Jahr ­wieder zu den Ausstellern in Hannover zählen wird. Er vermisst allerdings eine klare geografische Positionierung der Messe: „Es ist doch die Chance, sich auf Europa zu konzentrieren und Europa im Rahmen von Digitalisierung und Transformation zu präsentieren“, mahnt er an. Dem Festival-Charakter kann der Nfon-CEO persönlich zwar nur wenig abgewinnen – „Ich vermisse weder Riesenrad noch Konzerte“, sagt er –, allerdings habe sich das Publikum auf den ersten Blick durchaus verjüngt, und möglicherweise kündige sich ja auch langsam, aber sicher ein Generationenwechsel an. Letztendlich aber werde sich zeigen müssen, „ob Woodstock und Bits & Bytes zusammenpassen“, betont Szymanski.
Die Konzerte am Abend, wie hier mit Jan Delay, lockten auch ein jüngeres Publikum auf die Messe
Quelle: CeBIT

Den Besucherschwund kann man nicht wegdiskutieren

Der Cebit grundsätzlich gewogen ist auch Peter Machat, Vice President EMEA Central bei MobileIron. Der Spezialist für EMM (Enterprise Mobility Management) war in den vergangenen Jahren mit einem Stand in Halle 2 vertreten, in der die Telekom und bis 2016 auch Microsoft mit ­ihren Messeständen für Besucherströme sorgten. In diesem Jahr musste MobileIron jedoch in Halle 13 umziehen. „Da war durchaus was los, aber voll zufriedenstellend fanden wir es nicht“, erklärt er auf Nachfrage von Telecom Handel.
Gemeinsam mit den zehn Partnern am Stand hatte das Unternehmen die Messe mit Kunden-Mailings gut vorbereitet. „Insofern waren die Termine, die wir an den vier Cebit-Tagen hatten, auch sehr erfreulich“, berichtet er. Aber er hat der Messeleitung auch etwas ins Stammbuch zu schreiben. „40 Prozent weniger Besucher als im Vorjahr, das können und sollten die Messemacher nicht wegdiskutieren“, sagt er. Um dann aber doch einzuschränken, dass ein radikaler Wechsel des Konzepts erst einmal dazu führe, dass man alte Besuchergruppen verliere, ohne neue Zielgruppen schon ausreichernd begeistert zu haben. Ob MobileIron im kommenden Jahr wieder zur Cebit komme, werde man erst nach ­einer Analyse der vergangenen Messe ­entscheiden.
Deutliche Worte findet wiederum Udo Fritsch von Sipgate: „Das war die schlechteste Cebit, die ich je erlebt habe“, erklärt er. Die Messeleitung solle entweder für mehr Besucher sorgen oder die Cebit wieder in den März packen – dann am besten ohne Festival. „Bei den Besucherzahlen und den wenigen gewonnenen Leads kann ich einen Cebit-Stand im kommenden Jahr auf keinen Fall rechtfertigen“, erklärt er.
Und auch Gernot Sagl, CEO von Snom, glaubt nicht, dass der IP-Telefonhersteller im kommenden Jahr wieder auf der Cebit ausstellen wird. „Als Hersteller von Businesstelefonen brauchen wir den Kontakt zu wirklichem Fachpublikum – ein Grund, warum wir nicht auf Consumermessen wie der IFA zu finden sind. Sollte die ­Cebit sich zu einer solchen Veranstaltung wandeln, dann ist sie nicht mehr passend für uns,“ erklärt er gegenüber der Redaktion. Auch dem Festival-Charakter auf dem ­Außengelände kann er nur wenig abgewinnen. „In den Hallen war es eine Messe, nicht mehr und nicht weniger“, betont er.
Snoms Marketing-Leiterin Heike Cantzler ergänzt: „Wäre das Wetter besser gewesen, dann hätten wir den ein oder anderen Besucher zusätzlich verloren.“ Insgesamt hat Snom nach eigenen Angaben trotz einer guter Position in Halle 13 im Vergleich zum Vorjahr ein Drittel der Besucher eingebüßt. Und das, obwohl die Halle grundsätzlich gut gefüllt war. „In anderen Hallen war zum Teil gähnende Leere“, berichtet Sagl. Lobend äußert er sich unterdessen zum Konferenzprogramm: „Die Vorträge waren gut und spannend ausgewählt“, betont der CEO.
Technik-Pionier Jaron Lanier forderte bei seiner Eröffnungs-Keynote ein Umdenken der Branche
Quelle: Cebit
Unisono kritisierten die Aussteller allerdings die zu hohe Preispolitik der Cebit-Leitung – sowohl für die Hersteller als auch für die Besucher.

Vier Messetage zum Preis von fünf Tagen

Denn die Messe hatte den ersten Cebit-Montag zum Konferenz- und Presse-Tag erklärt: Die Konferenzen waren zwar gut besucht, auf dem Messegelände waren allerdings die meisten Aussteller noch mit dem Aufbau ihrer Stände beschäftigt. Das sorgte wiederum für Irritationen bei den Presse-Rundgängen: In so mancher Halle hielt ein Hersteller eine Pressekonferenz ab, während am Nachbarstand gehämmert wurde. Dass die Cebit den Ausstellern diesen Montag auch noch wie jeden anderen Tag in Rechnung stellte, stieß so manchem Unternehmen sauer auf. „Vier Tage Messe zum Preis von fünf Tagen ist einfach maßlos“, ärgert sich Heike Cantzler von Snom. Zudem waren die Gebühren für die Aussteller auf dem Niveau der Vorjahre – auch hier hätten sich viele Aussteller über ein Entgegenkommen der Messeleitung gefreut, zumal ja vollkommen unklar war, wie viele Besucher die Cebit mit dem neuen Konzept anziehen würde.
In der Kritik stehen aber auch die Preise für die Eintrittskarten: Die meisten Aussteller fanden die Tagestickets mit einem Preis von 100 Euro zu teuer und hätten sich gewünscht, dass die Messe mit günstigeren Karten mehr Besucher auf das Gelände gelockt hätte. Andererseits hatte die Messeleitung den Ausstellern wie früher schon ausreichend Kontingente für Freikarten zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus leerten sich ab 17 Uhr die Messehallen, offiziell sollten die Aussteller aber bis 19 Uhr ihre Stände geöffnet haben. „Zwei Stunden lang stand sich unser Standpersonal die Füße in den Bauch“, erklärt ein Aussteller. Ein anderer berichtet, er habe kurzerhand ab 17 Uhr eine Notbesetzung eingeführt und den Rest des Teams auf den Campus zum Feiern geschickt. „Trotzdem sollte die Messe bei den Öffnungszeiten noch nachjustieren“, betont er. Allgemein begrüßt wurde vom Gros der Aussteller allerdings, dass die Messe morgens eine Stunde später begonnen hat als früher.

Die Cebit soll sich dennoch gerechnet haben

Es gibt also noch einige Punkte, bei denen die Messeleitung nachbessern sollte, um sich die Gunst der Besucher und auch der Aussteller zu sichern – und auch wieder zurück zu früheren Erfolgen zu finden.
Wirtschaftlich ist die diesjährige Cebit zumindest für den Veranstalter wohl ein Erfolg gewesen. Oliver Frese betonte zumindest auf der Abschlusspressekonferenz der Cebit, die Deutsche Messe AG ­betrachte ihre Veranstaltungen vor allem als Wirtschaftsunternehmen. Solange eine Cebit profitabel und die Aussteller zufrieden seien, sei das Projekt ein Erfolg. Und HPE-Chefin Heike Meyer ergänzte: „Mein Chef beurteilt mich nicht nach der Zahl der lächelnden Menschen, sondern nach dem konkreten Business hier.“ Im Gegensatz zu früheren Messen nannte die Messe AG allerdings kein Gesamtvolumen der Geschäftsabschlüsse.
Doch Frese will von Vergleichen nichts mehr hören: „Wir sollten aufhören, diese Cebit mit früheren Cebits zu vergleichen. Für uns ist das jetzt die Cebit 1.0“, machte er noch einmal deutlich. Deren Zahlen sollten nun mit den kommenden Veranstaltungen verglichen werden. Und auch in den nächsten Jahren soll es wieder Veränderungen geben. Bitkom-Chef Bernhard Rohleder betonte, es gehe darum, die Cebit „zukunftsfähig für den Standort Deutschland zu erhalten“.
Innovative Drohnentechnik war einer der Schwerpunkte bei Intel, auch in Halle 13
Der Termin für die nächste Cebit steht bereits fest: Die Messe wird vom 24. bis 28. Juni stattfinden, zwei Wochen später als 2017. Der Termin rückt damit die Cebit­ weiter weg von der Anfang Juni stattfindenden Computex, die in diesem Jahr der Grund dafür war, dass weniger taiwanesische Hardware-Hersteller in Hannover vertreten waren. Und sie findet später als die Angacom statt, die in diesem Jahr parallel zur Cebit veranstaltet wurde.




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