Smart Home 27.09.2017, 10:30 Uhr

Nicht die gleiche Sprache: Amazon Echo im Selbstversuch

Wie funktioniert eigentlich Shoppen mit Amazon Echo? Wir haben den Test gemacht. Das niederschmetternde Fazit: Au weia!
Amazons Alexa
(Quelle: Amazon / INTERNET WORLD Business)
Die Überschriften sprechen für sich, egal ob es heißt "Voice Commerce: Die nächste Revolution steht vor der Tür", ­"Digitale Assistenten: Wie Voice Com­merce unser Leben verändert" oder "Mega-Trend Voice Commerce": Branchen- und Publikumsmedien lassen keinen Zweifel daran, dass dank Alexa und Amazon Echo endlich der Mensch die Technik regiert und nicht mehr die Technik den Menschen. Dieses Versprechen allein genügt, um Alexa auch in unserer Vier-Zimmer-Wohnung ein Zuhause zu geben.
Tatsächlich führt sich die virtuelle Mitbewohnerin gut ein: Zunächst übernimmt sie mit höchster Zuverlässigkeit das morgendliche Wecken, ein paar Tage später schon übergeben wir ihr dankbar die Kontrolle über unsere Hue-Lampen. Fortan müssen wir abends nicht mehr in Richtung Kinderzimmer schreien, dass jetzt bitte endlich das Licht ausgemacht wird. Stattdessen instrumentalisieren wir einfach Alexa und lassen sie anschließend den Fernseher lauter stellen, um das Protestgeschrei zu übertönen.

Wecken ja, shoppen nein!

In vielen kleinen Bereichen unseres Alltags möchten wir Alexa inzwischen nicht mehr missen. Als Shopping-Begleitung hingegen hat sie sich bislang als nicht wirklich hilfreich erwiesen. Dabei sollte sie sich fürs Einkaufen schon aufgrund ­ihrer Herkunft deutlich mehr interessieren als ihre virtuellen Konkurrentinnen Siri, Cortana oder der Google Assistant. Doch schon ein Blick in die Liste der verfügbaren Fertigkeiten zeigt: Alexa frönt anderen Interessen als dem schnöden Kommerz. Gerade einmal 20 Skills finden sich unter der Kategorie "Shopping". ­Lediglich im Bereich "vernetztes Auto" ist die digitale Dame noch schwächer auf der Brust. Dagegen scheinen ihre Stärken im Bereich "Spiele, Quiz & Zubehör" (480 Skills), "Bildung und Nachschlagewerke" (341 Skills) oder "Nachrichten" (265 Skills) zu liegen.

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Digitale Sprachassistenten sind im Kommen. Mithilfe des Statistikportals Statista haben wir einige Kennzahlen zusammengefasst.

Wir machen den Test: "Alexa, ich ­möchte eine Hose kaufen!", sage ich zu ihr - wissend, dass ein so komplexes Produkt wie eine Hose ein wirklich hinterhältiger erster Versuch für Voice Commerce ist. Doch Alexa lässt sich nicht beirren und antwortet prompt, auch wenn ihre Aussprache ungewohnt holprig, roboterhaft und schnell ist: "Das Top-Suchergebnis für Hose ist 'JAKO Herren Hose Kopa, schwarz weiß, M, fünfundfünfzigtausendneunhunderteinundfünfzig. Das macht insgesamt 16 Euro und 75 Cent inklusive Mehrwertsteuer. Willst du den Artikel jetzt kaufen?'"

Personalisierung mangelhaft

Weil mir "M, fünfundfünfzigtausendneunhunderteinundfünfzig" als Produktbeschreibung doch zu abstrakt ist, schaue ich in der Alexa-App nach, wie die Hose aussieht. Ein echtes Aha-Erlebnis: Das Online-Warenhaus, das mein Konsumverhalten seit dem Jahr 2001 beobachtet und nach 425 Bestellungen mehr über meine geheimen Vorlieben weiß als mein Mann, schlägt mir ­eine geschmacklose Herrensporthose im untersten Preissegment vor. Ist Amazon nicht der Big-Data-Überflieger, der mir via Anticipatory Shipping demnächst schon Produkte auf den Weg schickt, noch bevor ich selbst weiß, dass ich sie brauche? Sollte die Software dann nicht zumindest herausgefunden haben, dass ich eine Frau bin? Wenn das künstliche Intelligenz ist, dann ist mir natürliche Dummheit lieber.
Ich gebe Alexa eine zweite Chance mit ­einem konkreteren Produktwunsch: ­"Alexa, ich möchte ein iPhone kaufen." Ihre Reaktion lässt hoffen: "Ich habe mehrere passende Artikel gefunden", sagt sie diensteifrig, rattert dann aber monoton herunter: "Ich habe Powerbank 6000 mAH (Alexa sagt "sechstausend Mah" statt "Milliampere") Coolreall Externer Akku Power Bank Handy Ladegerät für iPhone, iPad, Samsung Galaxy und wei­tere schwarz in deinem Bestellverlauf ­gefunden, kann ihn aber nicht für dich bestellen. Soll ich ihn in den Einkaufswagen legen?" Ich kann der Äußerung spätestens nach "Mah" nicht mehr folgen und schalte gedanklich ab. Ich wollte ein iPhone, kein externes ­Ladegerät. Offenbar ist es noch ein großer Schritt, bis Alexa so weit ist, über Filterfunktionen meinen konkreten Bedarf zu ermitteln ("Welches Modell möchtest du haben?", "Welche Farbe soll das Gerät haben?", "Welche Speicherkapazität möchtest du?") und mir dann den Preis für das passende Gerät zu nennen. Und auch das Thema Produktbeschreibung für Voice Commerce wird ambitionierte Händler wohl noch ein Weilchen beschäftigen. Aber solange diese Herausforderungen nicht gelöst sind, wird es nichts mit der Herrschaft des Menschen über die Technik.

Bücher zu kaufen, ist nicht Alexas Ding

Dritter Anlauf, diesmal komme ich Amazons virtueller Assistentin weit entgegen: "Alexa, ich möchte ein Buch kaufen", sage ich, denn Amazon und Bücher, das gehört zusammen wie Sissi und Franz oder Spaghetti und Tomatensauce. Die Antwort von Alexa allerdings ist niederschmetternd: "Ich weiß nicht, wie ich dir dabei helfen kann", sagt sie. Was bitte machen denn die 1.000 Entwickler, die Unternehmensangaben zufolge täglich an Alexa herumdoktern, wenn die Gute nicht einmal ein Buch kaufen kann? Und warum reagiert sie auf "Ich möchte ein iPhone kaufen", aber nicht auf "Ich möchte ein Buch kaufen"?

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Als ich versuche, über Alexa ein Buch der Autorin Leila Slimani zu finden, fühle ich mich wie in einem Sketch aus der BBC-Show "Burnistoun", in dem zwei Schotten in einem Aufzug mit Spracherkennung versuchen, in den 11. Stock zu gelangen, aber aufgrund ihres Akzents vom System nicht verstanden werden. Rechtzeitig vor dem Nervenzusammenbruch gebe ich auf.
Auch die 20 sogenannten Shopping-Skills in der Alexa-App können im Test nicht überzeugen, zumal man mit keiner von ihnen tatsächlich einkaufen kann. Die meisten informieren lediglich über irgendwelche Schnäppchenangebote im Web. Größtes Problem auch hier: Die Produktinformationen sind größtenteils zu lang und werden teilweise zu schnell und dadurch unverständlich vorgetragen. Eine erste Ahnung, wohin sich Voice Commerce einmal entwickeln könnte, gibt nur chat­Shopper. Hier kann der Nutzer beispielsweise nach "gestreiften Pullis" ­suchen und die virtuelle Assistentin fragt nach, ob man für eine Dame oder einen Herren sucht. Anschließend wird ein Treffer präsentiert, den man sich in der Alexa-App anschauen soll. In der App allerdings ist kein Bild von dem Pulli zu finden und auch einen Link zum Produkt sucht man vergeblich.
Fazit: Alexa soll den Kindern weiter Bibi Blocksberg vorlesen, während ich meinen Mann zum Einkaufen mitnehme. Die ­Revolution durch Voice Commerce - sie wird vermutlich noch ein Weilchen auf sich warten lassen.




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