Breitbandausbau 01.12.2010, 12:02 Uhr

Es liegt was in der Luft

Während die ersten Mobilfunknetze der nächsten Generation aufgebaut werden, bescheinigen Experten Deutschland vor allem auf dem Land großen Nachholbedarf in Sachen breitbandiges Internet.
Unser Dorf soll schöner werden“, hieß es früher gerne, wenn die Ambitionen der Bürger auf dem Lande geweckt werden sollten. Heute heißt es dagegen oft „Unser Dorf soll schneller werden“, denn ein breitbandiger Internet-Zugang ist vielerorts noch ein Traum. Während in den großen Städten IPTV in hoher Auflösung und Megabit-schnelle Zugänge längst Normalität sind, müssen die Kunden schon einige Kilometer außerhalb mit Download-Raten leben, die weit unter 1 MBit/s liegen können.
Doch selbst in den Städten ist Deutschland keineswegs Weltklasse, was die Versorgung und die Geschwindigkeiten betrifft: Nach der jährlichen Studie von Cisco und der Universität Oxford belegt die Bundesrepublik im Ranking von 72 Ländern den 17. Platz, immerhin zehn Plätze besser als noch 2009, doch bei weitem nicht Spitze. Weltbester ist erneut Südkorea vor Hongkong und Japan. Island ist als Vierter beste europäische Nation, doch auch alle unsere Nachbarn im Westen und Norden schneiden besser ab.
Für den Primus Südkorea, wo die Breitbandtechnologien stark von Regierung und Industrie gefördert werden, errechneten die Experten eine durchschnittliche Download-Geschwindigkeit von 33,5 MBit/s und einen Upload von 17 MBit/s. Die Durchdringung erreicht dabei 100 Prozent – praktisch jeder Bürger hat einen Zugang zum breitbandigen Internet. Im Flächenstaat Deutschland liegt die Durchdringungsrate laut der Studie bei nur 66 Prozent. Allerdings ist ein landesweiter Ausbau in Deutschland viel aufwendiger und vor allem teurer als etwa in kleinen Ländern.
In vielen Regionen und Orten lohnt sich das schlicht und einfach nicht. Dazu gehören laut dem „Breitbandatlas“ des Wirtschaftsministeriums vor allem Gebiete im Süden und der Mitte Mecklenburg-Vorpommerns, im Nordwesten und Nordosten Brandenburgs, im Norden von Sachsen-Anhalt, im Norden und Osten Thüringens, im Süden von Sachsen, im ländlichen Rheinland-Pfalz, im Inland von Schleswig-Holstein und im Norden Bayerns. Auffällig ist, dass die Lücken in den dünner besiedelten neuen Bundesländern größer sind als im Westen. Wenn es um breitbandige Mobilfunktechnologien (momentan nur HSDPA) geht, sind die „weißen Flecken“ aber auch im Westen groß. Gut versorgt mit über 95 Prozent der Haushalte zeigten sich laut „Breitbandatlas“ im Sommer 2010 eigentlich nur die Großräume. 

Hemmschuh für die Wirtschaft

Das Problem ist gravierend: Auch wenn es kein Menschenrecht auf schnelles Internet gibt, hemmen langsame Verbindungen doch die lokale Wirtschaft – und hier vor allem den Mittelstand – und auch die menschliche Interaktion. Lin Cheng, Westeuropa-Chef des chinesischen Netzwerkausrüsters ZTE, erklärte etwa am Rande des Broadband World Forum im Oktober: „Wenn die Länder den Menschen kein Breitband geben, wo sie es wollen, gehen sie dahin, wo sie es bekommen. Europa muss aufpassen, dass es nicht hinter Asien zurückfallen wird. Vor allem die Lücke zwischen Stadt und Land wächst in Europa.“
Erkannt hat dies die Politik vielleicht, doch gehandelt wird noch immer verhalten. Allein die Definition des Begriffs Breitband ist skurril: Bis 2009 galten 384 KBit/s noch als Breitband, heute ist es 1 MBit/s, was aber zum Beispiel für hochauflösendes Fernsehen immer noch zu wenig ist. Die International Telecommunications Union (ITU) setzt ein Minimum von 2 MBit/s für Breitband an.
Daran gemessen sähe es auf dem Land in Deutschland vielerorts weiterhin sehr bescheiden aus. Immerhin hat die aktuelle Bundesregierung das Ziel der Breitbandversorgung im Herbst 2009 in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Dort heißt es: „Wir werden die Anstrengungen fortsetzen, die Breitbandversorgung in Deutschland sowohl in der Fläche als auch in der Leistungsfähigkeit zu steigern.“

Hoffnungsträger LTE

Doch Rettung naht aus der Luft: Die vierte Mobilfunkgeneration namens LTE soll die Lücken schließen und das Vergraben teurer Kabel überflüssig machen. Die Nutzung der frei gewordenen Fernsehfrequenzen und deren Versteigerung im Sommer dieses Jahres haben den Weg für das ambitionierte Vorhaben frei gemacht. Im 800-GHz-Band, das sich technisch am besten für die Versorgung großer Flächen eignet und somit auch am wirtschaftlichsten ist, haben die Telekom, Vodafone und Telefónica O2 Germany den Zuschlag erhalten und bauen die Netze auf.Bei der Vergabe der Frequenzen hatte die Bundesnetzagentur gefordert, dass bis zum Jahr 2016 mindestens 90 Prozent der „weißen Flecken“ auf der Landkarte angeschlossen sein sollen.
Die Telekom glaubt, diese Forderung erfüllen zu können. Eine erste LTE-Basisstation im brandenburgischen Kyritz wurde jetzt in Betrieb genommen, bis Ende des Jahres will der Konzern 500 Standorte in Deutschland installieren. Vodafone hatte Ende Oktober 20 Basisstationen an neun Standorten in Betrieb. Bis Ende März 2011 wollen die Düsseldorfer rund 1.500 Standorte mit LTE ausgerüstet haben. Alle Netzbetreiber testen eifrig, wobei das Fehlen von kommerzialisierbaren Endgeräten noch ein Problem ist.
Netzwerkausrüster wie Huawei, Nokia Siemens Networks, Ericsson oder ZTE haben längst die nötige Technik im Backbone, auch Chiphersteller wie Qualcomm haben bereits Produkte für 4G-Hardware wie USB-Datensticks oder Modems – Handys oder Smartphones gibt es indes noch nicht. Ob so am Ende das Vergraben von Kabeln überflüssig wird, will noch niemand vorhersagen. Denn neben der begrenzten Kapazität mobiler Netze wird auch deren Geschwindigkeit weiter hinter dem Festnetz zurückstehen. Doch um das Land überhaupt mit schnellerem Internet zu versorgen, ist mit LTE der erste Schritt auf jeden Fall getan. 




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