Interview mit Freenet-Chef Christoph Vilanek 28.01.2010, 13:35 Uhr

?Totgesagte leben länger?

Christoph Vilanek, Vorstandsvorsitzender der Freenet AG, spricht im Interview mit Telecom Handel über die Existenzberechtigung eines Mobilfunk-Providers sowie die Bedeutung des qualifizierten Fachhandels für die Branche.
Seit Mai 2009 führt Christoph Vilanek als Vorstandsvorsitzender die Freenet AG mit der Mobilfunkmarke Mobilcom-Debitel. Im Gespräch mit Telecom Handel zieht er eine Zwischenbilanz und gibt seine Einschätzung zu den Vertriebschancen des Fachhandels in der Zukunft.
Telecom Handel: 2009 war ein turbulentes Jahr für Freenet. Standorte wurden geschlossen, ein neuer Markenname etabliert, das DSL-Geschäft verkauft. Sie selbst wurden zum Vorstandsvorsitzenden berufen …
Christoph Vilanek: 2009 war tatsächlich ein anstrengendes Jahr. Anfang des Jahres hatten wir noch 7.255 Mitarbeiter, jetzt sind es deutlich unter 5.000. Wir haben Standorte schließen müssen und aus vier unterschiedlichen Store-Designs eines gemacht. Trotzdem ist es uns gelungen, eine vernünftige Akquisitionsleistung zu erreichen. Im Fachhandel sind wir sogar besser gefahren als im Jahr zuvor.
Telecom Handel: Dennoch behaupten Analysten gerne, dass es Mobilfunk-Provider gar nicht bräuchte …
Vilanek: Das erste Mal, als ich das gelesen habe, war Mitte der 90er-Jahre. Grundsätzlich braucht es viele Wertschöpfungsstufen in unserer Welt nicht. Warum gibt es zum Beispiel Distributoren, Einkaufsgemeinschaften und Großhändler? Warum bedient sich der Markt dieser Zwischenhändler? Der deutsche Handel ist nun einmal so aufgestellt, wie er ist. Die Provider hatten ihre größte Wachstumsphase, als die Netzbetreiber mit ihrem Netzausbau beschäftigt waren. Damals haben die Provider ausgeholfen. Wir stehen jetzt offensichtlich vor einer nächsten Phase des Netzausbaus. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Provider dann wieder mehr gebraucht werden. Im Übrigen gilt: Totgesagte leben länger.
Telecom Handel: Was unterscheidet Sie letztlich von den Netzbetreibern?
Vilanek: Ich glaube, dass wir dem Kunden nach wie vor mit der Auswahl einen gewissen Mehrwert bieten, und wir sind auch einen Ticken preisaggressiver als die Netze. Mein Hauptargument ist immer: ‚Willst du einen Base-Tarif im O2-Netz, dann komm zu uns!‘ Relevant ist aus Kundensicht auch unsere Flächenpräsenz. Mit rund 1.000 exklusiven Shops und circa 6.000 Vertriebsstellen findet man uns an jeder Straßenecke.
Telecom Handel: Strategisch haben Sie sich jetzt komplett auf den Mobilfunk ausgerichtet. Der Trend im Markt ist aber gegenläufig: Die Netzbetreiber stellen sich – mit Ausnahme von E-Plus – zunehmend als integrierte Komplettanbieter auf. Wieso gehen Sie diesen Weg?
Vilanek: Das hat mit dem Geschäftsmodell zu tun. Ich verstehe, dass das die Netze tun, denn die kommen aus dem Infrastrukturgeschäft, und da ist es naheliegend. Aus der Sicht eines Resellers kann ich jedoch keine Verbundvorteile realisieren, also habe ich keine Motivation, zu bündeln. Außerdem halte ich Bündelprodukte für einen weiteren Beitrag zum ruinösen Wettbewerb und weiteren Preisverfall.
Telecom Handel: Warum das denn?
Vilanek: Wenn Sie einem Kunden zwei Produkte in einem anbieten, dann hat dieser die Erwartung, dass er dabei sparen kann – ein Anzug ist billiger als eine Hose und ein Jackett. Bündelprodukt heißt immer: Ich diskontiere das Hauptprodukt. Außerdem sehe ich abgesehen vom Preis keinen wirklichen Nutzen für den Kunden.




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