?Totgesagte leben länger?

Interview mit Freenet-Chef Christoph Vilanek: ?Totgesagte leben länger?

Telecom Handel: Zum Beispiel?
Vilanek: Jeder Händler kennt das: Er steht morgens in seinem Laden, dann kommt der erste Kunde rein und sagt, er wolle sich nur mal umgucken. Dann ist die spannende Frage: Was mache ich als Verkäufer?
Telecom Handel: Ich könnte sagen: ‚Ja, gerne ...‘
Vilanek: ... und mich hinter die Theke zurückziehen. Oder ich kann sagen: ‚Fein, das freut mich. Zu Ihrer Orientierung: Links haben wir dies, rechts das, die Highlights sind ganz hinten, und das Top-Gerät habe ich bei mir auf der Theke aufgebaut. Und übrigens: Wir haben seit drei Wochen einen Extra-Service: Während Sie sich umgucken, kann ich Ihr Handy-Display professionell polieren, wenn Sie möchten.‘
Telecom Handel: Womit Sie mit dem Kunden im Gespräch wären.
Vilanek: Richtig. Und wenn ich wenigstens seines Gerätes habhaft werde, dann muss er schon wieder bei mir vorbei. Und wenn ich das poliert habe, kann ich sagen, ohne aufdringlich zu sein: ‚Mensch, das ist ja ein tolles Gerät, wie ist denn Ihre Erfahrung damit.‘ Es gibt viele Möglichkeiten, den Kunden glücklich zu machen. Natürlich ist das eine Investition, die schwer messbar ist. Aber ich bin überzeugt davon, dass der Kunde in ein paar Monaten wiederkommt.
Telecom Handel: In der vergangenen Zeit gab es eine Tendenz vom unabhängigen Fachhändler hin zu kooperierten Handelspartnern. Halten Sie dies für unverzichtbar oder haben auch die unabhängigen Händler eine Chance?
Vilanek: Die Frage ist, ob ich als Händler so stark bin, dass ich langfristig allein und unabhängig sein kann. Oder ob ich das Gefühl habe, dass ich mich aufgrund meines geografischen Umfelds und der Veränderung des Marktes irgendjemandem anschließen muss, um bestimmte Verbundvorteile zu genießen. Ich würde jedem Händler raten, diese Option zu prüfen. Ich denke aber, dass der freie und unabhängige Händler, wenn er einen guten Kundenstamm hat und vielseitig ist, immer noch derjenige sein wird, der am meisten Geld verdienen kann.
Telecom Handel: Aber gerade beim Thema Kundenstamm beschwert sich der Handel immer wieder, dass die Carrier und Provider VVL am Handel vorbei vornehmen.
Vilanek: Grundsätzlich bezahlen wir den Handel für die Akquisition – der Kunde ist unser Kunde, und der Händler ist ein Vermittler. Aber wir binden den Händler über den gesamten Lebenszyklus ein, wir schließen ihn nicht aus. Wir haben ein VVL-System, bei dem wir unsere Kunden anschreiben und den Händler als ersten Ansprechpartner erwähnen. Nur wenn der Kunde das nicht in Anspruch nimmt, dann kümmern wir uns um den Kunden, bevor er ganz weg ist.
Telecom Handel: Wenn andere Netzbetreiber dem Beispiel von O2 folgen, wird das VVL-Geschäft sowieso nicht mehr den Stellenwert einnehmen, den es bislang hatte ...
Vilanek: Das ist möglich. Ich sehe für uns darin jedoch eine Chance, weil wir konstanter arbeiten wollen und nicht unter dem Druck stehen, kurzfristig unser Geschäftsmodell zu verändern. Allerdings machen auch wir uns intensiv Gedanken über die Frage, wie der Mobilfunkvertrieb in drei Jahren aussehen könnte, wenn die unmittelbaren Erlöse aus dem Absatz sinken. Wie kommt der Kunde dann in den Laden? Kann man die Frequenz erhöhen, indem man andere Warengruppen hinzunimmt? Mein Anspruch ist es, ein Konzept zu entwickeln, das langfristig tragfähig ist und das wir allen guten Händlern, von denen wir überzeugt sind, dass sie zu uns passen, anbieten möchten. An diesem Konzept arbeiten wir bereits.




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