Nokia Booklet 3G 17.11.2009, 12:30 Uhr

Premiere mit Paukenschlag

Der Handy-Marktführer wagt sich erstmals auf das Gebiet der Netbooks – Nokia Booklet 3G als erstes Modell jetzt im Handel – Vertrieb erfolgt zunächst über Telefónica O2 Germany – Test beweist viele Stärken, aber keine überragenden Leistungen.
Die TK- und IT-Welten verändern sich rasend schnell: PC-Hersteller drängen ins Geschäft mit Smartphones, und Handy-Schmieden denken plötzlich über Netbooks nach. Zu jenen, die seit jeher Grenzen überschritten haben, gehört Nokia. Trotzdem hatte die Ankündigung der Finnen, auch portable Computer zu bauen, einige überrascht. Jetzt gibt es mit dem im Herbst erstmals gezeigten Booklet 3G tatsächlich das erste entsprechende Produkt zu kaufen. Wir konnten den Neuling bereits testen und mit einem etablierten Netbook-Bestseller, dem Eee PC 1000HG von Asus, vergleichen.
Den Wandel der IT-Welt belegt auch die Tatsache, dass der Nokia-Neuling in Deutschland außer über Nokia selbst zu Beginn exklusiv über den Netzbetreiber Telefónica O2 Germany verkauft wird. Der Preis mit 729 Euro ohne Vertrag ist derselbe wie bei Nokia selbst, dazu gibt es diverse Finanzierungsmodelle mit Vertragsoptionen. Das ist durchaus ein saftiger Preis, wenn man in Betracht zieht, dass andere Marken-Netbooks mit vergleichbaren Features zwischen 300 und 400 Euro kosten. Die Ausstattung kann diesen Aufpreis kaum rechtfertigen. So tritt unser Vergleichsmodell von Asus zwar mit einem etwas schlechteren Prozessor (Intel Atom N270) und noch nicht mit Windows 7 an, hat dafür aber eine um 40 GB größere Festplatte und wird mit einer schützenden Tasche geliefert.
Alles aus Aluminium
Nokia selbst nennt als eine Begründung für den Preis das Design und die hochwertigen Materialien seines Bonsai-Notebooks. Auf den ersten Blick erscheint das nicht abwegig, denn ohne Zweifel haben wir hier das bisher schönste Netbook vor uns: Es ist mit knapp 20 Millimetern Höhe äußerst schlank und kommt ganz ohne lästige Erhebungen auf der Unterseite aus. Der Konkurrent von Asus dagegen hat zusätzlich eine Ausbeulung für seinen voluminösen Akku, der im Alltag trotz seiner Dimensionen keine besseren Leistungen bringt. Die Oberseite des Booklet 3G besteht aus Klavierlack und ist in schwarz, silber oder blau erhältlich. Wie immer bei diesem Material ist die Oberfläche sehr empfindlich gegenüber Fingerabdrücken und wohl auch Kratzern.
Die restliche Hülle besteht überwiegend aus noblem Aluminium und wirkt wie aus einem Block gefräst. Zum schnörkellosen Design passt auch der weitgehende Verzicht auf Knöpfe am Gehäuse. So gibt es nur drei USB-2.0-Ports, einen HDMI-Anschluss, einen Klinkenstecker und eine schützende Klappe, unter der sich die Slots für die SD- und die SIM-Karte verbergen. Einen LAN-oder weiteren Monitor-Anschluss gibt es aber nicht. Beim mitgelieferten Zubehör verzichtet Nokia auf eine – eigentlich unabdingbare – Schutzhülle, packt aber zumindest ein Stereo-Headset ins Paket.

Test Nokia Booklet 3G: Premiere mit Paukenschlag

Kleine Schönheitsfehler
Die Verarbeitung wirkt auf den ersten Blick höchst solide und dem hohen Anspruch gerecht. Bei genauer Betrachtung wackelte bei unserem Testgerät aber die Klappe ein wenig, und der Ladestecker saß ebenfalls nicht allzu stabil in seinem Anschluss an der rechten Seite des Gehäuses. Gebaut wird das Gerät übrigens nicht von Nokia selbst, sondern von einem Auftragsfertiger in China. Der Konkurrent von Asus wirkt zwar mit seinem Kunststoffgehäuse weit weniger nobel, ist aber dafür einwandfrei verarbeitet.
Warum für die Tastatur des Booklet 3G nur etwas mehr als die Hälfte der möglichen Fläche in der Innenseite des Netbooks gewählt wurde, wissen wohl nur die Designer. Denn wenn die Tasten etwas größer wären, wären sie durchaus perfekt. Die Druckpunkte sind indes sehr gut, das Tippen geht in völliger Ruhe vonstatten, zudem erleichtern die deutlichen Abstände das Schreiben. Wenn nur die Funktions- und Cursortasten eben nicht so klein wären! Das Touchpad ist dagegen groß genug, auch die beiden Tasten darunter können mit einem klaren Druckpunkt erfreuen.
Anzeige mit hoher Auflösung
Das Display kommt im Netbook-Standardformat von 10,1 Zoll, bietet aber mit 1.280 mal 720 Bildpunkten eine höhere Auflösung als viele Konkurrenten, die mit 1.024 mal 600 Pixeln antreten. In der Realität sind solche Unterschiede vor allem bei der übersichtlicheren Darstellung von Webseiten zu erkennen. Zudem ist die Anzeige des finnischen Netbooks schön scharf und strahlt auch sehr hell. Über den HDMI-Anschluss lässt sich auch ein externer hochauflösender Monitor anschließen – wer dabei aber etwa das Netbook als Player einsetzen will, wird das Fehlen eines optischen Laufwerks bemerken.
Die Festplatte ist mit 120 Gigabyte eher durchschnittlich dimensioniert, der Arbeitsspeicher entspricht mit einem Gigabyte ebenfalls dem Standard der Klasse. Angesichts des hohen Preises kann sich der Anwender aber schon fragen, warum etwa im halb so teuren Asus-Konkurrenten eine Festplatte mit 160 GB steckt. Voraus hat das Nokia anderen Netbooks immerhin den Bewegungssensor, der beim Fallen die Festplatte so sichern soll, dass keine Daten verloren gehen. Auch einen GPS-Chip, der in Zusammenarbeit mit Nokia Maps den Anwender lokalisiert, hat bisher keiner der Konkurrenten.

Test Nokia Booklet 3G: Premiere mit Paukenschlag

Windows 7 ist dagegen kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Dass Nokia das neue Betriebssystem mitliefert, ist lobenswert, zumal die Leistungen auch mit der bescheidenen Hardware dieser Gerätekategorie ordentlich sind. Der Windows-Leistungsindex lag beim Booklet 3G bei 2,2, was für ein Netbook einen ordentlichen Wert darstellt. Für die Festplatte wurden immerhin 4,4 Punkte erreicht, während es für den Prozessor nur 2,2 Punkte gab. Damit kann sich das Nokia-Netbook aber kaum von der Konkurrenz absetzen. Es eignet sich mit seiner Hardware zwar für Standardanwendungen, macht aber bei Spielen und anderen grafisch anspruchsvollen Anwendungen schnell schlapp und nimmt sich lange Denkpausen.
Ein Vorteil des Nokia, das ohne Lüfter auskommt, ist seine fast komplette Lautlosigkeit beim Arbeiten. Lediglich die Festplatte macht sich gelegentlich mit einem leisen Schnurren bemerkbar. Die Wärme des Prozessors wird über das Aluminiumgehäuse abgeführt, das beim Arbeiten trotzdem nicht – wie bei anderen Geräten – unangenehm warm wird.
In Sachen Connectivity bietet der kompakte Finne die volle Palette: WLAN mit den Standards 802.11b, g und n sowie Bluetooth 2.1 und HSPA sind an Bord und funktionieren über einen eigenen Verbindungsmanager ohne große Probleme bei der Einrichtung. Für die Nutzung ist noch nicht einmal eine Netzbetreiber-Software nötig.
Für den Akku verspricht Nokia wahre Wunderleistungen: So soll die Laufzeit bei zwölf Stunden liegen und damit deutlich höher sein als bei den Konkurrenten. In der Realität kamen wir bei regelmäßiger Inanspruchnahme des Mobilfunkmoduls auf sechs bis sieben Stunden, was immer noch gut ist.
Alles hat seinen Preis
Diese Leistung fügt sich ins Gesamtbild einer starken Premiere ein: Das Booklet 3G leistet sich kaum technische Schwächen und überzeugt durch sein Design. Allerdings kann es sich technisch kaum von den vielen Konkurrenten absetzen. Und das ist das größte Problem, denn der Preis von über 700 Euro ist viel zu hoch und eigentlich nicht gerechtfertigt. Wenn Nokia für den Edel-Look 100 Euro mehr nehmen würde, wäre das durchaus zu vertreten. Da darf man gespannt sein, wie der Markt den finnischen Debütanten annehmen wird.




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