Interview mit Gunnar Grosse 08.05.2017, 11:25 Uhr

Komsa: Schweden-Power in Sachsen

Vor 25 Jahren hat Dr. Gunnar Grosse Komsa gegründet, mittlerweile eines der größten Unternehmen ­Ostdeutschlands. Ein Gespräch über Unternehmergeist, die Bedeutung von Netzwerken und Sammelleidenschaft.
Komsa-Gründer Gunnar Grosse
(Quelle: Komsa)
Telecom Handel schaut gemeinsam mit dem Gründer von Komsa, Dr. Gunnar Grosse, auf die Anfänge des TK-Marktes zurück. Dieses Interview erschien erstmals Ende 2012 in der großen Telecom-Handel-Jubiläumsausgabe, mit der die Redaktion damals ihr 15-jähriges Bestehen gefeiert hat.
Telecom Handel: Wie war das damals, als Sie von Schweden nach Sachsen gekommen sind? Ursprünglich wollten Sie doch nur den elterlichen Bauernhof besuchen …
Grosse: Als mein Vater gestorben ist, haben meine Schwester und ich den Bauernhof geerbt. Als ich hierher kam, hatte ich keine Hintergedanken. Aber ich habe gespürt, welche Möglichkeiten sich mit der Öffnung des Ostmarkts ergeben könnten. Und dass man hier vielleicht auch ein bisschen Geld verdienen kann.
Was waren Ihre ersten Eindrücke vom ‚wilden Osten‘?
Grosse: Mein erster Eindruck war, dass der Zustand weit hinter dem Westen lag und es nicht so schwierig sein sollte, hier etwas aufzubauen. Aber dann habe ich gemerkt, dass es doch sehr schwer war, Geschäfte zu machen. Die Ostdeutschen waren extrem vorsichtig gegenüber allem, was aus dem Westen kam, denn viele wurden schon einmal übers Ohr gehauen.
Wie viel Abenteuerlust braucht ein über 50-jähriger Topmanager aus Schweden, um im Osten Deutschlands ganz von vorne zu beginnen?
Grosse: Bis ich 40 Jahre alt war, hatte ich viele Ideen, habe aber nie eine davon durchgeführt. Da habe ich beschlossen: Die nächste Idee, die ich bekomme, setze ich um. Als ich 50 war und die Wende kam, war es so weit. Hier gab es eine neue Möglichkeit.
So manches Unternehmen, das später viel Geld verdiente, fing einst in einer Garage an. Bei Ihnen war es aber eher ein Keller …
Grosse:
Das war, als ich Jürgen Unger kennenlernte. Ich wollte nach Rumänien Telefone verkaufen und bekam aus Bukarest eine Anfrage nach 10.000 elektrischen Schreibmaschinen. Es gab bei uns eine Robotron-Tochter, die solche Schreibmaschinen hergestellt hat. Ich habe also bei denen angerufen, einen Termin gemacht, bin hingefahren und in einem Korridor gelandet, der sehr schlecht beleuchtet war. Da ich niemanden antraf, habe ich einfach an anderen Türen geklopft. Und hinter einer saß der Jürgen Unger mit zwei Kollegen.
Was haben die dort gemacht?
Grosse: Die hatten damals, 1991 war das, gerade angefangen mit dem Verkauf von PCs. Ich habe mich mit ihnen unterhalten und gemerkt, dass die sich in der PC-Branche auskennen. Außerdem waren sie jung und es war schwierig, gute Leute zu finden. Deshalb musste man jede Gelegenheit ausnutzen, und wenn jemand interessant war, gleich Name und Adresse notieren.
Telefonnummern gab es da offenbar nicht …
Grosse: Die Verhältnisse waren schon besonders. Wenn einer ein Telefon gehabt hat, war das eine Nebenstelle. Oft gab es 50 Nebenstellen und nur ein oder zwei Leitungen.
Und die waren damit immer belegt …
Grosse: Ich habe dann den Tipp bekommen, dass die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut viele externe Telefonleitungen hätte. Das Unternehmen war als Uran-Förderer damals so eine Art Staat im Staat. Ich habe es geschafft, bei Wismut zwei Zimmer zu mieten, von denen aus ich gegen eine Pauschale unter anderem auch ins Ausland telefonieren konnte.
Die schlechte Telefonversorgung war wohl auch mit ein Grund, dass Sie später in den Mobilfunkmarkt eingestiegen sind?
Grosse: Ich hatte zuvor schon als Berater für Ericsson gearbeitet und kannte daher einige Leute dort. Die habe ich angerufen und gesagt: ‚Ostdeutschland ist ein sehr interessanter Markt. Können wir da was verkaufen?‘ Die Antwort war: ‚Wir haben keine Geräte für die analogen Wellen.‘ Ich sagte: ‚Aber die könnt ihr doch machen‘, worauf die gesagt haben: ‚Könnten wir, machen wir aber nicht. Das ist uninteressant.‘ Ericsson wollte vor allem sein Netz, also die Infrastruktur verkaufen, nicht die Geräte, die damals übrigens noch Terminals hießen. Aber so sind wir ins Gespräch gekommen.




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