Bundesnetzagentur eröffnet erstmals Bußgeldverfahren gegen Netzbetreiber

Früherer Verbraucherschützer ist Behördenchef

Die Netzagentur ließ die Bußgeld-Keule 2020 liegen, schwingt sie aber jetzt - obwohl die Verfehlungen damals viel größer waren als heute. Das könnte auch an Klaus Müller liegen, der früher Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen war und seit 2022 Präsident der Netzagentur ist. In seiner neuen Funktion setzt er sich weiter stark für Verbraucherbelange ein.
Es ist nicht das erste Bußgeldverfahren gegen Telekommunikationsanbieter, aber das erste gegen etablierte Netzbetreiber. Bereits seit dem Frühjahr geht die Netzagentur gegen den Neueinsteiger 1&1 DE0005545503 vor, der gerade sein eigenes Mobilfunknetz aufbaut und dieses bald starten will. Hierfür ersteigerte die United-Internet-Tochter DE0005089031 1&1 im Jahr 2019 erstmals Frequenzen. Ende 2022 hätte die Firma 1000 5G-Standorte aktiviert haben müssen. Tatsächlich waren es fünf. Der Ausgang des Verfahrens ist offen.

Ausbauauflagen von 2019

Für ihre Netze brauchen die Firmen Funkfrequenzen unterschiedlicher Bänder. Bei der Vergabe legt der Bund ein qualitatives Mindestniveau fest, auf das die Netze gebracht werden müssen. So mussten die Firmen in jedem Bundesland bis Ende 2022 98 Prozent der Haushalte mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde versorgen. Diesen zentralen Teil des Auflagenkatalogs erfüllten die Telekom, Vodafone und O2. Zudem gab es noch Auflagen für Verkehrswege und besagte weiße Flecken - hierbei legten die Unternehmen nach Überzeugung der Netzagentur Schwächen an den Tag.
Genaue Zahlen, wie viele weiße Flecken und Tunnel als unversorgt gelten, sind nicht bekannt. Ein Sprecher der Netzagentur will sich nicht zum Thema Bußgeldverfahren äußern. Auch die Firmen geben auf Nachfrage keine Zahlen bekannt.

Positive Reaktion der Politik

Bundespolitiker und Verbraucherschützer reagieren positiv auf die Einleitung der Bußgeldverfahren. Die Firmen hätten der Behörde offenbar keine plausiblen Gründe vorweisen können, warum die Ausbaupflichten nicht vollständig eingehalten worden seien, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben. "Der Entwurf eines Bußgeldbescheides ist deswegen nur konsequent."
Lob kommt auch vom Sozialdemokraten Johannes Schätzl. "Versorgungsauflagen ergeben nur dann Sinn, wenn sie auch konsequent durchgesetzt werden und Strafen folgen, wenn Auflagen nicht eingehalten werden", sagt der Bundestagsabgeordnete. Der Grüne Maik Außendorf nennt die Nichteinhaltung der Vorgaben "ärgerlich". Die Firmen müssten ihren Verpflichtungen nachkommen. "Zur Durchsetzung der Versorgungsauflagen ist die Verhängung von Bußgeldern durch die Bundesnetzagentur ein wichtiges Signal." Der CSU-Politiker Reinhard Brandl nennt die Verfahrenseinleitung "absolut richtig".
Auch der Verbraucherschützer Felix Flosbach begrüßt die härtere Gangart der Netzagentur. Wenn die Behörde die Netzauflagen nun strenger kontrolliere und Vergehen ahnde, helfe das Verbraucherinnen und Verbrauchern - "heute und in Zukunft". Die Firmen wiederum verweisen auf große Fortschritte, die sie beim Netzausbau gemacht haben. Die Netze sind nach Milliardeninvestitionen der Unternehmen tatsächlich deutlich besser als vor einigen Jahren. Die Bußgeldverfahren sind allerdings ein Hinweis, dass es mancherorts noch hapert.




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