19.02.2013, 11:29 Uhr

Studie nennt Einführung von Daten-Flatrates einen "historischen Fehler"

Netzwerke an der Belastungsgrenze, sinkende Einnahmen mit Sprachtelefonie, explodierender Datenverkehr ohne entsprechendes Umsatzwachstum: Eine neue Studie der Unternehmensberatung Booz & Company zeigt aktuelle Probleme der Mobilfunk-Carrier auf - und zeigt Auswege.
Die Umsätze mit mobiler Sprachtelefonie gehen weiter rasant zurück, gleichzeitig explodieren die Übertragungsraten im Bereich der mobilen Daten - das ist das zentrale Ergebnis der neuen Studie "Die Sprache ist tot - es leben die Daten" der Unternehmensberatung Booz & Company.
Konkret gehen die Analysten davon aus, dass die Umsätze mit mobilen Gesprächen bis zum Jahr 2016 um knapp 5 Prozent auf 628 Milliarden US-Dollar sinken werden. Diese Entwicklung wird sich den Analysten zufolge auch auf dem deutschen Markt widerspiegeln. Hier rechnet Booz & Company im gleichen Zeitraum mit einem Umsatzeinbruch von 15 Milliarden Euro auf voraussichtlich 12 Milliarden Euro. Damit falle die Sprachtelefonie als Wachstumstreiber für Mobilfunkanbieter schneller aus als bislang angenommen, so ein Fazit der Studie - ein Trend, der sich auch im Festnetz fortsetzt.
Im Gegenzug explodieren die Übertragungsraten im Bereich der mobilen Daten - hier legt das übertragene Volumen pro Jahr bereits im Schnitt um satte 29 Prozent zu. Die globalen Erträge, die TK-Konzerne dadurch erwirtschaften, fallen dagegen deutlich niedriger aus - diese steigen voraussichtlich um vergleichsweise moderate 9 Prozent pro Jahr. Etwas besser sieht es in Deutschland aus: Hier wachsen die mobilen Datenumsätze 2013 den Schätzungen zufolge um 10 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro.

Apple & Co. machen Netzbetreibern das Leben schwer

Dennoch: Für die Mobilfunkanbieter wird daher die entscheidende Frage für die Zukunft sein, wie sich aus den steigenden Datenvolumina auch entsprechend Kapital schlagen lässt, so Booz & Company. Denn bislang geht der kommerzielle Erfolg von mobilen Internetanwendungen, -inhalten und -diensten noch weitgehend an den Netzbetreibern vorbei. So entfällt hier der Bärenanteil - nach einer Verdoppelung des Umsatzes für Apps und Internetangebote im mobilen Web im Jahr 2012 und geschätzten Umsätzen von 26 Milliarden Euro im Jahr 2013 - auf neue Wettbewerber wie Apple, Facebook oder Spielehersteller wie Rovio.
Und mehr noch: Die hohen Datenvolumina treiben die Infrastruktur immer häufiger an die Belastungsgrenze. In diesem Zusammenhang nennen die Analysten die Einführung der Datenflatrate einen "historischen Fehler" der Netzbetreiber. Denn nur wenige User verursachten das Gros des Datenverkehrs: Konkret erzeugten im Schnitt 5 Prozent der stärksten Datennutzer rund 75 Prozent des gesamten Datenvolumens eines Anbieters.
"Ohne massive zusätzliche Investitionen ist in Westeuropa das Limit der bestehenden Netze bereits in zwei Jahren erreicht", sagt daher auch Roman Friedrich, Partner und Telekommunikationsexperte bei Booz & Company. "Um das allein in Deutschland anstehende Investitionsvolumen von über 30 Milliarden Euro für den Ausbau der LTE- und Glasfasernetze aus dem Cashflow finanzieren zu können, muss es den Netzbetreibern schnellstmöglich gelingen, den zunehmenden Traffic in entsprechende Umsätze zu konvertieren."

LTE: Fehler der Vergangenheit vermeiden

Die Empfehlung von Booz & Company: Die Netzbetreiber müssten sich in Zukunft einen größeren Umsatzbeitrag aus dem Applikationsbereich sichern, indem sie die Qualität und Zuverlässigkeit dieser Dienste garantieren und für diese Wertschöpfung entlohnt werden. Weitere Wachstumschancen sieht die Studie in dem Boom mobiler Endgeräte wie Smartphones und Tablets und damit einhergehenden neuen Geschäftsfeldern: Dazu zählen E-Health- und E-Learning-Anwendungen ebenso wie Smart-Grid-, Machine-to-Machine- oder Mobile-Payment-Lösungen.
Auch in der Einführung von LTE sieht Booz & Company eine weitere Wachstumschance - aber nur, wenn die Fehler aus der Vergangenheit vermieden werden. Friedrich: "Mit der sukzessiven LTE-Einführung öffnet sich jetzt nochmals ein Zeitfenster, um die Flatrate-Dominanz über differenzierte Preis- und Quality-of-Service-Modelle wieder aufzuweichen." Und weiter: "Künftig sollten Kunden einen Aufschlag für ein schnelles und sicheres Netz oder die bevorzugte Behandlung bei etwaigen Engpässen beim Datenzugang bezahlen. Nur so können die Telkos wieder substantielles Wachstum aus dem exponentiell wachsenden Datenaufkommen generieren und ihre Investitionen in die dafür notwendige Infrastruktur refinanzieren."




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