25 Jahre Telecom Handel 31.05.2022, 11:45 Uhr

TK-Händler blicken zurück: „Wie die Jungfrau zum Kind“

Wie erlebten Shop-Betreiber die Anfänge im Mobilfunkhandel? Was waren die größten Herausforderungen? Fünf Reseller berichten.
(Quelle: Telecom Handel)
Von den Goldgräberzeiten in den 90er-Jahren bis hin zu sinkenden Margen und stetig zunehmendem Druck durch den Online-Handel heute – und natürlich auch Corona. Fünf Händler erzählen, wie sie die vergangenen Jahrzehnte gemeistert haben und welche Entwicklungen sie in den kommenden Jahren erwarten.
Telecom Handel: Warum sind Sie damals in die Mobilfunk-Branche eingestiegen, was hat Sie daran gereizt?
Manfred Knacker (B. Schmitt mobile): Wir sind seit 1970 im Telekommunikationsbereich tätig und damals war es mehr als logisch, dass wir versucht haben, mit der Mobilfunkbranche ein zweites Standbein aufzubauen. Unser Schwerpunkt im Telekommunikationsbereich waren das Betriebsfunkgeschäft sowie die BOS-Inhouse-Vermarktung. Diesen Geschäftsbereich haben wir im Laufe der Zeit mit dem Mobilfunk-Inhouse-Bereich weiterentwickelt.
Giuseppe Lacagnina, Inhaber Hotphone GmbH in Kaiserslautern
Giuseppe Lacagnina, Inhaber Hotphone GmbH in Kaiserslautern
Quelle: Hotphone GmbH
Guiseppe Lacagnina (Hotphone): Letztlich bin ich wie die Jungfrau zum Kind zur Mobilfunkbranche gekommen. Ende der 80er habe ich das Bäckerhandwerk erlernt und ein paar Jahre in einer Großbäckerei gearbeitet. Aufgrund einer Mehlstauballergie (Bäckerasthma) musste ich gesundheitsbedingt aufhören und mich beruflich neu orientieren. 1989 hat ein Bekannter, der einen kleinen Telefoneinzelhandel hatte, zufällig einen Verkäufer gesucht und mich eingestellt. Zu der Zeit gab es noch keine Mobiltelefone für jedermann, lustige Micky-Mouse-Telefone und Schnurlostelefone für zu Hause waren gefragt. Ein Jahr später, also 1990, habe ich diesen Laden übernommen.
Norman Honke (MiNo Telekom­munikation): Es war reiner Zufall. Am Tag meiner mündlichen Prüfung an der Fachhochschule kam ich in Kontakt zu einem Außendienst-Gebietsleiter von Vodafone. Durch diesen Kontakt wurde ich auf die Branche aufmerksam und habe recht schnell verstanden, dass dies ein Markt mit Zukunft, Veränderung und Entwicklung sein wird. Im Vergleich zu meinem Studiengang Rechnungswesen, Steuern und Revision das extreme Gegenteil (lacht). Somit war klar, dass ich mich selbstständig machen und mit 24 Jahren – drei Monate nach dem Studium – vom Bürojob in einem Steuerbüro in den Vertrieb wechseln würde. Besonders gereizt haben mich der Umgang mit Menschen im Verkauf und die fast schon täglichen Veränderungen in unserem Bereich. 
Stefan Niedermaier (Elektro Niedermaier): Wir sind seit deutlich mehr als 50 Jahren als Elektrobetrieb am Ort etabliert. Im Jahr 1995 sind wir dann in den Mobilfunkmarkt eingestiegen, weil er uns neu, interessant und vor allem vielversprechend erschien. 
Thomas Sisterhenn (Media Parts): Nach meinem Studium war ich Ersatzteil­einkäufer für Alcatel. Da ich aus meiner Ausbildungszeit den Mobilfunkmarkt vom B-C-Netz und vom damals neuen D-Netz kannte und der Bedarf an Zubehör 1998 bereits recht groß war, hatte ich hier die Möglichkeit, als Einziger in Deutschland direkt in Frankreich bei Alcatel Akkus und Ersatzantennen zu bekommen. Da sich das Verhältnis Umsatz und Ertrag von zwölf Technikern versus Zubehörverkauf binnen sechs Monaten drehte – und gleichzeitig die Geschäftsführung damals nicht auf den Zug aufspringen wollte –, sahen mein Partner und ich uns gezwungen, uns selbstständig zu machen.
Was waren Ihre größten Herausforderungen in den vergangenen 25 Jahren und wie haben Sie diese gemeistert?

Michael Meissner: Das war sicherlich, innerhalb des Mobilfunkbereichs das richtige Vertriebskonzept zu finden. Wir haben uns im Laufe der Jahre vom Massenmarktteilnehmer hin zum Qualitätsvermarkter entwickelt. Das heißt, wir sind durch konsequente Spezialisierung ein zuverlässiger Partner geworden, der das Handelskonzept in allen Bereichen unterstützt. 
Lacagnina: Ich musste die ersten Jahre meinen kleinen Telefonladen gegenüber den großen Mitbewerbern behaupten und mich mit der Zeit immer mehr etablieren. Die letzten zehn Jahre galt es vor allem, den Marktanteil zu steigern und zu halten, indem wir uns von den Wettbewerbern differenzieren. Die größte Herausforderung aber war und ist die Corona-Pandemie mit all ihren Folgen. Uns war immer wichtig, den Menschen im Kunden zu sehen und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen und zu befriedigen. Aus vielen Kontakten sind mittlerweile langjährige Freundschaften und treue Kunden geworden. Während des Lockdowns haben wir die Kunden nicht im Stich gelassen; Fragen und Probleme wurden per Mail oder unbürokratisch über Social Media (Facebook) geklärt und gelöst.
Norman Honke, Inhaber MiNo Telekommunikation in Mosbach und Sinsheim
Quelle: MiNo Telekommunikation
Honke:
Es gab einige Herausforderungen in den vergangenen Jahren – aber wir haben diese Phasen immer recht gut gemeistert. Der erste große Wandel vollzog sich durch den Wechsel vom Feature Phone zum Smartphone, dadurch wurden die Bedürfnisse des Kunden verändert. Die Beratung wurde zeit- und kostenintensiver, sowohl in der Erstberatung beim Verkauf als auch im Service danach. Nach der Geburt des Smartphones wurde immer häufiger der Online-Handel als direkter Preisvergleich und Mitbewerber ins Spiel gebracht. Auch die Mitarbeiterfindung war in den letzten 22 Jahren sehr zeitintensiv und wurde im Laufe der Zeit immer schwieriger. Ich setze schon von Beginn an bei Mitarbeitern auf Fortbildung und versuche, ausgebildete Kaufleute und Verkäufer einzusetzen. Eine große Herausforderung war, dass wir im Zeitraum 2005 bis 2009 acht Filialen betrieben haben – auch hier hatten wir immer Schwierigkeiten mit dem Personal. Später haben wir zuerst von acht auf drei Filialen gekürzt, heute sind es noch zwei. Auch die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Anbietern hat sich stark verändert, unter anderem durch die verschiedenen Übernahmen und auch ­Re­brandings. Und Corona? Nun ja, die ­Pandemie hat unser komplettes System durcheinandergeworfen.
Niedermaier: Das sind vor allem der stetige Margenverlust, ein harter Verdrängungswettbewerb, der Preisanstieg sowie die Geburt und auch der Tod vieler Marken. Zudem macht uns natürlich der Personalmangel zu schaffen. Wir haben uns in den vergangenen Jahren den Änderungen am Markt angepasst und sind damit auch gut gefahren. Außerdem sind wir sehr kunden- und serviceorientiert, das honorieren unsere Kunden. Sie wissen, wir sind ehrlich und fair.
Sisterhenn: Der Markt ändert sich ­ständig, und zwar immer schneller. Denken Sie nur an die verschiedenen ­restriktiven Vorgaben der Netzbetreiber. Die vergangenen zwei Jahre Corona haben wir trotz aller Widrigkeiten überstanden, aktuell macht uns allerdings die angespannte Liefersituation zu schaffen. Und natürlich ist der beständig wachsende Online-Handel für uns ein Problem. Wir wirken dem mit beständigen Schulungen und der Optimierung unserer Firmen entgegen. Und natürlich haben wir immer ein Ohr am Markt …
Welche Schwerpunkte setzen Sie heute überwiegend in Ihrem Geschäft und welche waren es früher?
Manfred Knacker, Geschäftsführender Gesellschafter (li.), und Michael Meissner, Prokurist in Frankfurt am Main bei B. Schmitt mobile
Quelle: B. Schmitt mobile
Knacker: Wir haben sehr schnell gelernt, dass der Preis bei einer qualitativen Vermarktung nicht im Fokus stehen darf. Deshalb haben wir schon früh unser Bestandskundenmanagement aufgebaut und pflegen es beständig weiter.
Lacagnina: Unser Ziel ist, den Kundenservice weiter zu verbessern und damit Kundenbindung zu stärken – damit einhergehend wollen wir natürlich auch die Kundenabwanderung reduzieren. Früher lagen unsere Schwerpunkte in erster ­Linie bei der Sicherstellung der Produktverfügbarkeit, heute mehr in der ­Beratung und im Kundenservice.
Honke: Wir setzen von Beginn an auf Stammkundenbetreuung, individuelle Beratung, Serviceentwicklung, Serviceoptimierung und Reparaturabwicklung. Früher wurde einfach abverkauft und verteilt, viel Beratung gab es da nicht. Das lag aber auch an der einfacheren Tarifwelt sowie an der geringeren Anzahl von Providern und Netzbetreibern.
Niedermaier: Wir setzen weiterhin auf Qualität und Service, das hat sich für uns bewährt.
Sisterhenn: Ein sehr hohes Maß an Service war und ist für uns sehr wichtig. Früher sowie heute führen wir Reparaturen verschiedener Hersteller durch und bieten durch eigene Techniker einen Festnetzservice vor Ort an. Während der Lockdown-Zeiten in den vergangenen Jahren haben wir zum Beispiel auch die Sachen an die Kunden persönlich ausgeliefert und an der Haustüre erklärt. Das kam gut an.
Gab es auch besondere Ereignisse, die Sie rückblickend amüsieren?
Knacker: Man hat in der Zeit viele Manager bei einigen Netzbetreibern kommen und gehen gesehen, mit denen wir heute nicht mehr zusammenarbeiten und deren Ideen und Maßnahmen nur auf Kurzfristigkeit angelegt waren.
Lacagnina: In den letzten 30 Jahren habe ich viele kleine, lustige Anekdoten erlebt. Bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland war beispielsweise Kai­serslautern auch Austragungsort. Direkt vor unserer Tür tobte das Leben, Menschen aus aller Welt besuchten unseren Shop. Ich kann mich erinnern, wie inmitten dieser Zeit zwei Kunden in unserem Shop lauthals um ein bestimmtes Handy stritten, das nur einmal verfügbar war. Es hat sich dann herausgestellt, dass die beiden Streithähne Italiener waren, genau wie ich. Sie kamen nach Kaiserslautern, um sich ein Spiel der Azzurri anzuschauen. Wir mussten alle lachen und sind abends noch zusammen essen gegangen – und wir sind heute noch alle drei miteinander befreundet.
Niedermaier: Klar, das war zum Beispiel der Netzbetreiber Quam, der sich ja nicht lange halten konnte. Auch Dienste wie iMode oder bunte Klapphandys sorgen rückblickend für ein Schmunzeln. Und man kann sich kaum vorstellen, dass ich früher mit einem Koffer und zwei Handy-Modellen – Siemens S3 und S3+ – Geschäftskunden besuchte …
Thomas Sisterhenn, Geschäftsführer Media Parts GmbH in Koblenz
Quelle: Media Parts
Sisterhenn:
Persönlich bin ich sehr froh und stolz, dass ich das alles auch nach 26 Jahren Media Parts mit meinem Gründungspartner Rolf Simon führen und gestalten darf. Unser Anfang war aus einer Wohnung heraus ein reiner Versandhandel. Meine Außendiensttour durch Deutschland machte ich mit einem Aral Faltatlas. Als es dann die ersten VDO-­Navis zum Festeinbau gab, war meine Wochentour binnen drei Tagen bereits zu Ende – und dies zeigte mir, wie sehr ich mit der richtigen Technik am richtigen Ort Zeit und Geld sparen kann. Unser erster Shop mit grünem Teppichboden war das erste Highlight, wenig später hatten wir dann das Geld und die ­Unterstützung der Netzbetreiber, um den Shop mit Netzbetreibermöbeln und La­minat zu verschönern. Die mit Abstand schönste Zeit war die Goldgräberzeit 1998, als die Telekom die C-Netz-Migra­tion durchgeführt hatte.
Was treibt Sie derzeit um, wo sehen Sie Chancen, aber auch Schwierigkeiten für Ihr künftiges Business?
Meissner: Wir sehen weiterhin Chancen in der Qualitätsvermarktung – insbesondere im Geschäftskundenbereich. Eine Stärke in unserem Unternehmen liegt ­darin, dass wir Schwierigkeiten erst gar nicht entstehen lassen und sie bereits im Keim ersticken.
Lacagnina: Es gibt viele Chancen, die sich aus dem Mobilfunkstandard 5G und der weiteren Entwicklung in der Digitalisierung und in cloudbasierten Kommunikationsdiensten ergeben. Schwierigkeiten sehe ich in erster Linie im Mangel an Fachkräften und Auszubildenden im ­Einzelhandel.
Niedermaier: Eine Herausforderung sind vor allem die beständig fallenden Preise. Zudem übertragen die Netzbetreiber immer mehr Service an den Handel – und das bei sinkenden Margen.
Sisterhenn: Corona und die damit verbundenen Restriktionen werden auch künftig noch eine wichtige Rolle spielen. Eine große Chance ist die immer stärkere Vernetzung der Geräte. Aber ich sehe uns sehr gut für die Zukunft aufgestellt.
Welche Entwicklung sehen Sie für die Zukunft? Wie wird sich der Markt allgemein, aber auch Ihr Geschäft weiterentwickeln?
Knacker: Intern arbeiten wir immer mit dem Begriff Menschlichkeit 5.0 – wir wollen damit unseren Mitarbeitern aufzeigen, dass der Faktor Mensch in diesem Markt eine wesentliche Rolle spielt. Mit Zuverlässigkeit, Vertrauen, seriöser Beratung und Qualitätsmanagement untermauern wir diese Maßnahmen. Kunden werden uns das auch in der Zukunft danken.
Lacagnina: Wir vertrauen in die technische Weiterentwicklung und auf fairen gegenseitigen Umgang zwischen den großen Netzbetreibern und Partnern.
Honke: Ich sehe der Zukunft mit einem skeptischen Auge, aber dennoch positiv entgegen. Wir sind nun 22 Jahre am Markt, mit allen Hochs und Tiefs. Und wir werden auch weitere Jahre am Markt sein, so dass wir unser Jubiläum feiern können. Der Markt wird schwieriger werden, jeder Kunde hat individuelle Bedürfnisse, die man im Detail herausarbeiten muss – das ist sehr zeitintensiv und damit kostspielig. Hier sehe ich aber auch unsere Chance, Umsätze zu generieren. Diese Veränderungen durchzuhalten, ist die größte Herausforderung der nächsten zehn Jahre. Aber es gibt auch Zeiten, da hat man wirklich die Schnauze voll und würde am liebsten alles hinschmeißen.
Stefan Niedermaier, Inhaber Elektro Niedermaier, in Rottach-Egern
Quelle: Elektro Niedermaier
Niedermaier:
Ich bin davon überzeugt, dass sich die Händlerschaft weiter ausdünnen wird. Entweder man bietet Top-Qualität und Einkaufserlebnis offline oder Hammerangebote online – manche machen auch beides.
Sisterhenn: Ich denke, es wird immer Menschen geben, die online kaufen. Aber der Handel hat ebenfalls einen guten Stand, wenn er wie wir einen sehr guten Service bietet. Unser Spruch seit über 25 Jahren ist daher: Der Service macht den Unterschied!
Und seit wann kennen Sie uns?
Knacker: Die Telecom Handel war seit Beginn an Wegbegleiter in unserem Geschäft, aus der wir Marktinformationen gezogen haben, aber auch das ein oder andere Mal bei den Leserbriefen schmunzeln mussten.
Lacagnina: Seit rund zehn Jahren bin ich begeisterter Leser.
Honke: Seit Beginn meines Geschäfts um das Jahr 2000.
Niedermaier: Gefühlt schon immer – seit 1999 glaube ich!
Sisterhenn: Das kann ich Ihnen leider gar nicht genau sagen. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass wir die ­Telecom Handel von Anfang an beziehen. Gerade weil es immer wieder interessante News und Trends gibt, die es sich lohnt, im Auge zu behalten.




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