Marktreport 05.09.2022, 10:44 Uhr

Robotics: Eine neue Saat für Reseller

Robotics kann für Systemhäuser ein neues Geschäftsfeld sein. Drei Reseller berichten von ihren Erfahrungen in diesem Marktsegment.
(Quelle: Alesia Kan/Shutterstock)
Bella, Pepper &. Co. werden immer häufiger in der Gastronomie eingesetzt: Für den Siegeszug der Service-Roboter gibt es vor allem einen Grund – den eklatanten Fachkräftemangel in dieser Branche. Nach einer Umfrage des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga im Juni suchen in Deutschland mehr als 60 Prozent der gastgewerblichen Betriebe derzeit Fach- und Hilfskräfte. Aber auch in anderen Bereichen wie etwa in der Pflege erwarten Experten, dass immer häufiger Roboter die Mitarbeiter von Routineaufgaben entlasten. Rund 6,7 Milliarden US-Dollar wurden 2021weltweit laut der IFR (International Federation of Robotics) umgesetzt, bis 2030 erwarten die Analysten einen Anstieg auf 170 Milliarden US-Dollar – ein enormes Wachstum in vergleichsweise kurzer Zeit. Und der Fachkräftemangel könnte diesen Anstieg noch einmal beschleunigen.
Dafür ist allerdings ein gut aufgestellter Vertrieb nötig, denn die Hersteller brauchen Partner, die ihre Lösungen auf den Markt bringen. Telecom Handel hat mit drei ITK-Systemhäusern gesprochen, die seit kurzer Zeit Service-Roboter im Programm haben. „Wir sind im Sommer 2020 in das Geschäft mit Service-Robotern eingestiegen und haben uns damals noch stark auf den Bereich Soziale Robotik in der Pflege und im Unternehmen konzentriert. Heute liegt unser Schwerpunkt auf Gastronomie-Robotern. Hier ist der Nutzwert sehr einfach und ohne großen Implementierungsaufwand erreichbar“, berichtet Thomas Oehring, Geschäftsführer der FScon AG im bayerischen Eichenau.
Tino Cafaro, Geschäftsführer von TCO-robotics und The-Company.de
Tino Cafaro, Geschäftsführer von TCO-robotics und The-Company.de
Quelle: TCOrobotics
Tino Cafaro, Geschäftsführer von The-Company.de in Vaihingen an der Enz, ist seit Oktober vergangenen Jahres in diesem Bereich aktiv, und Ostertag DeTeWe ist im Frühjahr 2022 offiziell in die Vermarktung eingestiegen. Alle drei Unternehmen haben über mehrere Monate die Chancen und Möglichkeiten dieses Segments intensiv analysiert. Aus gutem Grund, denn es ist keineswegs banal, einen neuen Unternehmensbereich aufzubauen, der auf den ersten Blick nur wenig mit dem Kerngeschäft zu tun hat. Gleichzeitig sind die Auftragsbücher der meisten Systemhäuser gut gefüllt; es gibt also eigentlich wenig Anlass, sein Geschäftsfeld zu erweitern. Dennoch haben die drei den Schritt gewagt – mit unterschiedlichen Ansätzen und auch Zielgruppen.

Andere Bereiche – andere Anforderungen

FScon und The-Company.de beispielsweise ­haben für diesen Geschäftsbereich eigene Unternehmen gegründet: Erstere die NovaBotics Vertriebs GmbH, Letztere TCO­robotics. „Zwingend nötig war die Ausgründung vielleicht nicht, aber in der Wahrnehmung bei unseren Kunden liegen die Kompetenzfelder Digitale Infrastruktur / Telekommunikation und Robotik doch recht weit auseinander. Deshalb haben wir entschieden, die Robotik in einem Unternehmen zu bündeln“, erklärt Oehring von NovaBotics. Cafaro wiederum führt als Grund vor allem Service und auch die Haftung an, eventuelle Schwierigkeiten bei TCOrobotics können so nicht das Kerngeschäft von The-Company.de belasten. Ostertag DeTeWe hingegen hat sich gegen eine Ausgründung entschieden und das neue Geschäftsfeld innerhalb des Unternehmens aufgebaut.
Unterschiede gibt es zudem auch bei den Zielgruppen: Während sich NovaBotics und TCOrobotics in erster Linie auf die Gastronomie und Hotellerie fokussieren – „In diesem Bereich ist aktuell der größte Bedarf und der Erfolg ist für die Kunden schnell messbar“, so Cafaro –, konzentriert sich Ostertag DeTeWe auf andere Segmente. „Wir sehen das größte Potenzial in Seniorenheimen, Reha­kliniken, Krankenhäusern sowie in Security und Logistik“, erklärt Director Sales & Presales Thorsten Landich.
Thomas Oehring, Geschäftsführer FScon und NovaBotics
Quelle: Novabotics
Analog zu den Zielgruppen verändert sich auch die Komplexität – sowohl im Vertrieb als auch in der Installation. Zwar ist keines der Systeme via Plug-and-Play einsetzbar, doch der Aufwand ist durchaus unterschiedlich. „In der Gastronomie braucht man ­eigentlich keine speziellen Kenntnisse. In anderen Bereichen mit individuellen Use Cases ist ein Verständnis für Prozessdigitalisierung hilfreich, um die Abläufe zu gestalten. IoT-Know-how ist immer dann wichtig, wenn ein Roboter in die Gebäudesteuerung wie Aufzug, Türen oder Guiding integriert werden soll“, berichtet etwa Oehring.
Und er differenziert weiter: „Grundsätzlich kann unser Roboter out of the box sofort im Restaurant eingesetzt werden. Dafür muss nur die Karte eingemessen und die Bestuhlung definiert werden. Es folgt ein Tages-Workshop für den Kunden und dann läuft das. Andere unserer Kunden wachsen aber mit dem Roboter tatsächlich in ein digitales Umfeld. Die Maschine ist dann Kristallisationspunkt für digitale Bestell- und Bezahlprozesse.“ Cafaro stimmt ihm zu, auch er sieht ­einen Bedarf an guten Technikern, die das Potenzial der Roboter beim Kunden erkennen und die Lösung auf seine Bedürfnisse abstimmen. Denn auch in diesem Bereich gilt: „Wir können mit dem Kunden wachsen, indem wir unsere Lösung immer mehr auf dessen Bedürfnisse zuschneiden. Das erhöht den Umsatz pro Kunde, intensiviert die Kundenbindung und wir sammeln dabei wertvolle Erfahrungen für andere Projekte.“

Mit individuellen Projekten expandieren

Auch Landich ist von der Notwenigkeit, die Systeme zu individualisieren, überzeugt. Da Ostertag DeTeWe stark im Healthcare-Bereich aktiv ist, bedeutet dies aber auch mehr Aufwand für das Unternehmen. Denn: „Eine­ Standardisierung ist nur sehr rudimentär möglich. Aufgaben, Prozesse, örtliche Umgebungen und Subsysteme sind pro Location und Einsatz verschieden, weswegen eine Individualisierung der Lösung zugeschnitten auf den Kunden auch mittelfristig eine wesentliche Rolle spielen wird“, betont der Manager.
Und natürlich ist auch der Vertrieb in diesem Segment anders: Während ein Service-Roboter im Restaurant von vielen Gästen als interessantes Gimmick betrachtet wird – und auch immer häufiger anzutreffen ist –, gibt es beim Einsatz im Pflegebereich sicherlich mehr Vorbehalte und nur wenig Beispiele aus der Praxis. Der Grund: Wer möchte beispielsweise, dass seine Eltern im Seniorenheim von Robotern betreut werden? Oder welcher Patient wünscht sich eine solche Maschine am Krankenbett?
Noch sind diese dort deshalb die Ausnahme. In anderen Bereichen wie beispielsweise der Logistik oder Bereichen der Produktion gibt es diese Ressentiments seltener, auch da hier wenig Kontakt mit der Außenwelt stattfindet. Zudem steht der Angst, dass durch den Einsatz von Robotern Arbeitskräfte wegfallen könnten, der anhaltende Fachkräfte­mangel gegenüber. Und schließlich kann ein Roboter am Ende nur Standardaufgaben übernehmen und damit das qualifizierte(re) Personal entlasten.
So wird dringend benötigter Raum frei für die Aufgaben, die eine Maschine nicht übernehmen kann: den Service am Kunden und mehr Aufmerksamkeit für den Patienten – um nur einige Beispiele zu nennen. Denn Zeit ist ein seltenes Gut geworden … und das ist  ein Hauptargument für den Vertrieb dieser Lösungen.

Beispiele aus der Praxis

Hilfskraft in der Produktion
 In der Gastronomie sind die Roboter für die Kunden sichtbar, anders ist dies in der Produktion: Dieser Roboter von NovaBotics transportiert in einer Druckerei Farben vom Lager zu den Maschinen, um die Mitarbeiter zu entlasten und ­gleichzeitig die Herstellung zu beschleunigen.
Quelle: Novabotics
Mehr Service in Hotels und bei Raststätten
Nicht nur in Restaurants fehlen Mitarbeiter, auch in Raststätten und Hotels oder Kongresszentren mangelt es an Personal. NovaBotics-Chef Thomas Oehring sieht in diesem Bereich großes Potenzial und stellt sein Unternehmen im Vertrieb breit auf.
Roboter unterstützen in der Pflege
Noch ist die Anzahl der Installationen in Deutschland gering, der Bedarf an Robotern im Pflegebereich ist allerdings riesig. Ostertag DeTeWe sieht in diesem Segment enorme Chancen.
Quelle: Ostertag DeTeWe
Entlastung für Servicekräfte
Tino Cafaro von TCO-robotics hat sich beim Thema Robotics bislang überwiegend auf den Bereich Restaurants und Hotels konzentriert. Die Roboter ersetzen dort Servicekräfte und entlasten damit das ohnehin knappe Personal.
Quelle: TCOrobotics
Robotics: Ein absoluter Wachstumsmarkt – vor allem für Systemhäuser. Tino Cafaro, Thomas Oehring und Thorsten Landich freuen sich auf die Diskussion in ihrem Workshop auf der diesjährigen Communicate!




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